Pflicht zur Auflösung des Arbeitsvertrags
Auch wenn Alkoholabhängigkeit eine Krankheit ist, kann die Arbeitgeberin / der Arbeitgeber eine Kündigung aussprechen, wenn die alkoholabhängige Person trotz mehrmaliger Warnungen ihr Verhalten nicht verändert und damit sowohl die eigene Gesundheit als auch die der anderen Mitarbeitenden gefährdet.
Besteht eine erhebliche Unfallgefahr, ist eine Kündigung auch möglich, wenn ausschliesslich die Gesundheit der alkoholabhängigen Person gefährdet ist, beispielsweise durch das Risiko eines schweren Unfalls.
Gemäss Artikel 328 OR1 hat der Arbeitgeber die Persönlichkeit, das Leben und die Gesundheit seiner Arbeitnehmer zu schützen. Der Arbeitgeber hat nicht nur alle Eingriffe in die Rechte des Arbeitnehmers zu unterlassen, sondern muss auch alle erforderlichen Massnahmen treffen, um ihn vor solchen Eingriffen zu schützen. Demnach muss er die Arbeitsorganisation und die Verantwortlichkeiten festlegen, die Aufgaben zuweisen, die nötigen Anweisungen erteilen und deren Einhaltung überwachen.
Auf Grund dieser Fürsorgepflicht hat er geeignete Massnahmen zu ergreifen, wenn die Persönlichkeit oder die Gesundheit eines oder mehrerer Arbeitnehmer Eingriffen ausgesetzt sind, insbesondere wenn diese von anderen Mitgliedern des Personals ausgehen.
Es besteht sogar die Auffassung, dass ein Arbeitnehmer, der die Persönlichkeitsrechte eines Arbeitskollegen erheblich verletzt, indem er ihn beispielsweise bedroht, gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten aufs Schwerste verstösst, so dass eine fristlose Kündigung nach Artikel 337 OR2 angezeigt sein kann.
Im Falle eines alkoholkranken Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber folglich zu beurteilen, ob der Betreffende in der Lage ist, seine Arbeitsleistung unter zufriedenstellenden Sicherheitsbedingungen zu erbringen. Trifft dies nicht zu, muss er ihn von seiner Arbeitsleistung freistellen und ihn auffordern, nach Hause zu gehen. Im Einzelfall kann sich der Arbeitgeber auch gezwungen sehen, das Arbeitsverhältnis mit einem alkoholabhängigen Mitarbeiter aufzulösen, wenn dieser z.B. sein gewalttätiges oder beleidigendes Verhalten gegenüber seinen Arbeitskollegen trotz einer oder mehreren Abmahnungen nicht ändert. Das Gleiche gilt natürlich, wenn der Arbeitnehmer die Gesundheit seiner Kollegen gefährdet.
Der Arbeitgeber könnte sich auch veranlasst sehen, einen alkoholabhängigen Mitarbeiter zu entlassen, der seine eigene Gesundheit gefährdet. Dies wäre der Fall, wenn ihm diese Massnahme als geeignet erscheint, um das Risiko eines schweren Unfalls zu vermeiden.
An dieser Stelle sei festgehalten, dass, sofern die Bedingungen für eine fristlose Entlassung gemäss Artikel 337 OR erfüllt sind, die Kündigung gültig ist, selbst wenn sie während einer der Schutzfristen gegen eine Kündigung zur Unzeit im Sinne von Artikel 336c OR erfolgt39.
1Abs. 1 „Der Arbeitgeber hat im Arbeitsverhältnis die Persönlichkeit des Arbeitnehmers zu achten und zu schützen, auf dessen Gesundheit gebührend Rücksicht zu nehmen und für die Wahrung der Sittlichkeit zu sorgen. Er muss insbesondere dafür sorgen, dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht sexuell belästigt werden und dass den Opfern von sexuellen Belästigungen keine weiteren Nachteile entstehen.“
Abs. 2 „Er hat zum Schutz von Leben, Gesundheit und persönlicher Integrität der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer die Massnahmen zu treffen, die nach der Erfahrung notwendig, nach dem Stand der Technik anwendbar und den Verhältnissen des Betriebes oder Haushaltes angemessen sind, soweit es mit Rücksicht auf das einzelne Arbeitsverhältnis und die Natur der Arbeitsleistung ihm billigerweise zugemutet werden kann.“
2 Abs. 1 „Aus wichtigen Gründen kann der Arbeitgeber wie der Arbeitnehmer jederzeit das Arbeitsverhältnis fristlos auflösen; er muss die fristlose Vertragsauflösung schriftlich begründen, wenn die andere Partei dies verlangt.“
Abs. 2 „Als wichtiger Grund gilt namentlich jeder Umstand, bei dessen Vorhandensein dem Kündigenden nach Treu und Glauben die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr zugemutet werden darf.“
Abs. 3 „Über das Vorhandensein solcher Umstände entscheidet der Richter nach seinem Ermessen, darf aber in keinem Fall die unverschuldete Verhinderung des Arbeitnehmers an der Arbeitsleistung als wichtigen Grund anerkennen.“
3Abs. 1 „Nach Ablauf der Probezeit darf der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis nicht kündigen:
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während die andere Partei schweizerischen obligatorischen Militär- oder Schutzdienst oder schweizerischen Zivildienst leistet, sowie, sofern die Dienstleistung mehr als elf Tage dauert, während vier Wochen vorher und nachher;
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während der Arbeitnehmer ohne eigenes Verschulden durch Krankheit oder durch Unfall ganz oder teilweise an der Arbeitsleistung verhindert ist, und zwar im ersten Dienstjahr während 30 Tagen, ab zweitem bis und mit fünftem Dienstjahr während 90 Tagen und ab sechstem Dienstjahr während 180 Tagen
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während der Schwangerschaft und in den 16 Wochen nach der Niederkunft einer Arbeitnehmerin;
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während der Arbeitnehmer mit Zustimmung des Arbeitgebers an einer von der zuständigen Bundesbehörde angeordneten Dienstleistung für eine Hilfsaktion im Ausland teilnimmt.“