Begriff der missbräuchlichen Kündigung
Eine Kündigung ist dann missbräuchlich, wenn sie einzig aufgrund einer inhärenten Eigenschaft der Person ausgesprochen wurde (z.B. Geschlecht, Familienzustand, Herkunft, Rasse, Nationalität, sexuelle Orientierung, Alter, Vorstrafen, Erkrankungen oder Gebrechen). Falls diese Eigenschaft aber die Arbeitsleistung der Person erheblich beeinträchtigt, ist eine Kündigung deswegen möglich.
Jedes Recht kann missbräuchlich ausgeübt werden (vgl. Art. 2 Abs. 2 ZGB1). Das gilt auch für die Kündigung: In gewissen Fällen wird sie als missbräuchlich betrachtet. Mit dieser Frage befassen sich die Art. 336 ff. OR. Nach Auffassung des Gesetzgebers ist dabei nicht der Zweck der Kündigung, nämlich die Beendigung des Arbeitsverhältnisses, unrechtmässig, sondern der tiefere Grund, der eine der Parteien zur Auflösung des Vertrags bewog.
Hierzu ist zu bemerken, dass der missbräuchliche Charakter einer Kündigung deren Gültigkeit nicht beeinträchtigt. Hingegen hat das Opfer einer solchen Kündigung grundsätzlich Anrecht auf eine Entschädigung, die vom Richter festgesetzt wird und die Höhe von sechs Monatslöhnen nicht übersteigen darf (Art. 336a OR)2.
Art. 336 OR zählt acht Fälle missbräuchlicher Kündigungen auf, wobei es sich nicht um eine abschliessende Liste handelt. Im Zusammenhang mit dem hier behandelten Thema ist v. a. Art. 336 Abs. 1 lit. a3über die so genannte diskriminierende Kündigung zu beachten. Dieser Bestimmung zufolge ist eine Kündigung missbräuchlich, wenn sie wegen einer Eigenschaft ausgesprochen wurde, die der anderen Partei kraft ihrer Persönlichkeit zusteht, es sei denn, diese Eigenschaft stehe in einem Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis oder beeinträchtige wesentlich die Zusammenarbeit im Betrieb (Rechtfertigungsgründe).
Zu den vom Gesetz als schützenswert erachteten persönlichen Eigenschaften zählen insbesondere Geschlecht, Familienstand, Herkunft, Ethnie, Nationalität, sexuelle Orientierung, Alter, Vorstrafen sowie Krankheit oder Behinderung.
Das Bundesgericht hat die Krankheit ausdrücklich als persönliche Eigenschaft im Sinne von Artikel 336 Abs. 1 lit. a OR anerkannt (unveröffentlichtes Urteil des BGer. vom 5. August 2004, 4C.174/2004, E. 2.2.2). Die Alkoholprobleme oder die Alkoholabhängigkeit sind zweifelsfrei eine persönliche Eigenschaft des Arbeitnehmers unabhängig davon, ob sie als Krankheit, Gewohnheit oder Konsumpräferenz betrachtet werden. Folglich könnte eine Kündigung, die sich ausschliesslich auf diese Eigenschaft stützt, als missbräuchlich im Sinne der oben stehenden Bestimmung gelten.
Der Arbeitgeber darf die Kündigung gestützt auf einen Rechtfertigungsgrund aussprechen. Grundsätzlich liegt kein Missbrauch vor, wenn der Kündigungsgrund in Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis, insbesondere mit der Arbeitspflicht und der Treuepflicht des Arbeitnehmers, steht (vgl. BGer vom 5. August 2004, 4C.174/2004, E. 2.2.2). Wird einem Arbeitnehmer gekündigt, weil er auf Grund seiner Alkoholprobleme seine Arbeitsleistung nicht korrekt erbringt, ist diese Kündigung nicht missbräuchlich. In diesem Fall steht der Kündigungsgrund in Bezug zum Arbeitsverhältnis.
Hingegen ist die Kündigung infolge einer latenten Krankheit wie der Seropositivität missbräuchlich, wenn diese Krankheit in keinem Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis steht (Wyler, Droit du travail, Bern 2008).
Möchte sich der Arbeitgeber auf diesen Rechtfertigungsgrund berufen, muss er beweisen, dass dieser relevant und er nicht Verursacher der von ihm geltend gemachten Situation ist. Selbstverständlich wäre die Kündigung missbräuchlich, wenn der Arbeitgeber selbst den Arbeitnehmer zum Trinken veranlasst hätte. Ferner gilt es zu beachten, dass der Arbeitgeber, der keine Massnahmen ergreift, um Alkoholprobleme zu verhindern oder zu vermindern, zumindest teilweise für die von ihm geltend gemachte Situation mitverantwortlich ist. Die Entlassung eines alkoholabhängigen Arbeitnehmers wäre somit missbräuchlich im Sinne von Artikel 336 OR.
1„Der offenbare Missbrauch eines Rechtes findet keinen Rechtsschutz.“
2 Art 336a OR, b. Sanktionen:
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Abs. 1 „Die Partei, die das Arbeitsverhältnis missbräuchlich kündigt, hat der anderen Partei eine Entschädigung auszurichten.“
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Abs. 2 „Die Entschädigung wird vom Richter unter Würdigung aller Umstände festgesetzt, darf aber den Betrag nicht übersteigen, der dem Lohn des Arbeitnehmers für sechs Monate entspricht. Schadenersatzansprüche aus einem anderen Rechtstitel sind vorbehalten.“
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Abs. 3 „Ist die Kündigung nach Artikel 336 Absatz 2 Buchstabe c missbräuchlich, so darf die Entschädigung nicht mehr als den Lohn des Arbeitnehmers für zwei Monate betragen.“